Die Ehrfurcht ist groß – das Verständnis oftmals gering. Völlig zu unrecht, findet zumindest Frau Franzi und bringt ihrem Publikum erfolgreich das dunkle, illustre Treiben bekannter Gestalten der Weltliteratur näher. Als „schäggsbianarrische“ Putzfrau räumt sie seit Jahren auf Österreichs Bühnen mit Fehlinterpretationen bezüglich Romeo und Julia auf – „alles nur ein großes Missverständnis“ – oder macht reinen Tisch, was die kleinen gelben Reclam Hefte anbelangt – „nichts anderes als eine Regenbogenpresse der Royalen“. Aktuell ehrt sich die umtriebige Reinigungskraft im Kosmos Theater selbst. „Die Gästeliste“ verspricht mit Auftritten von Hamlet, Orphelia und Richard den III. erneut exklusiv zu werden.
Ein Grund für die Kulturfüchsin die Dramaturgin, Schauspielerin und Besitzerin eines Museums für Bergbau Marika Reichhold zum Gespräch zu treffen. Ein Interview über eine ungewöhnliche gewöhnliche Putzfrau im Schatten großer Geschichte(n).
Frau Reichhold, wie und wann hat ihr Alter Ego Frau Franzi das Licht der Welt erblickt?
Das kann ich Ihnen ganz genau sagen: Am 6. Dezember 2007, um 18.50 Uhr. Ich habe gerade die Führung für das Bergbaumuseum erarbeitet. Den Text hatte ich schon fertig und im Anschluss an diversen Figuren herumexperimentiert. Bei der Frau Franzi hat mein Regisseur gesagt, die nimmst du jetzt. Eine Bekannte hat mir sogar ein Horoskop angefertigt. Falls es jemanden interessiert: Frau Franzi ist Schütze mit Aszendent Krebs.
Ihr Regisseur Christian Suchy ist in der freien Theaterszene kein Unbekannter. Wie kam es zur Zusammenarbeit?
Ich habe als Theaterpädagogin auf der Kinder- und Jugendabteilung in der Psychosomatik einmal im Jahr mit einem Regisseur einen Workshop gemacht um zu schauen wie sich die Übungen, die ich mit den Kindern und Jugendlichen mache, von Innen anfühlen. Einer dieser Regisseure war Christian Suchy. In dem Zeitraum damals ist gerade meine Mutter gestorben und ich habe das Museum geerbt. Ich bin vor der Entscheidung gestanden, was mache ich damit: sperre ich es zu, verkaufe ich es? Ich dachte, wenn ich es weiter führe, muss eine andere Art der Führung her und zur Unterstützung Christian Suchy engagiert. Für mich war von Anfang an klar, dass die Museumsvermittlung lustig und leicht sein muss.
Wie kam es, dass Frau Franzi so bald nach ihrer Geburt den Sprung vom Museum ins Rampenlicht der Theaterbühne geschafft hat? Woher ihre Leidenschaft für Shakespeare?
Markus Kupferblum, ein anderer befreundeter Regisseur, und ich haben im Haydn-Jahr ein Stück über Joseph Haydn und das 18. Jahrhundert entwickelt. In dem Stück steckte so viel Arbeit, so viel Herzblut drinnen und gespielt habe ich es gerade sechs Mal. Ich dachte mir, da muss etwas Zeitloses her. Ich mag Shakespeare. Der gibt unglaublich viel her.
Inwieweit wollen Sie auch Lust machen sich mit Shakespeare und anderen Klassikern der Weltliteratur auseinanderzusetzen? Ist es für das Publikum hilfreich mit den Werken vertraut zu sein?
Ich hoffe, dass ich ein sehr breites Spektrum bediene. Leute, die damit überhaupt nichts am Hut haben, möchte ich Gusto machen. Leute, die die Werke kennen, haben eine extra Runde Gaudi, weil sie wissen, was ich damit mache. Das Burgtheater könnte sich mit mir sanieren. Ich spiele ihnen die Klassiker vor dem Vorhang. Ich bräuchte nicht einmal eine Technik. (lacht) Nein, im Ernst: in der Kulturszene Kottingbrunn gibt es ein paar Tage vor der Premiere einen Kulturstammtisch und wenn die etwas spielen, was ich am Programm habe, fungiere ich als Werkeinführerin. Obwohl bei mir alles lustig aufbereitet ist, biete ich auch Infos über die Zeit der Entstehung eines Werkes und ein bisserl über den Autor.
Das stelle ich mir gerade für Schüler und Schulklassen besonders geeignet vor. Wieso macht es Spaß hochtrabende Texte einmal locker und humorvoll zu sehen? Würden Sie sagen, dass es in der Pädagogik generell mehr Humor braucht und wie schaffen Sie es, Dinge humorvoll zu vermitteln ohne respektlos zu werden?
Das eine schließt das andere nicht aus. Nur weil was lustig ist, muss es nicht blöd sein. Bei den Museumsführungen kommen oft Fachleute und wenn ich sage, ich mache kabarettistische Führungen sind sie zunächst immer skeptisch. Am Ende sind sie alle angetan, weil ich vom Anfang bis zum Ende eine Information nach der anderen liefere, aber anders verpackt. Man kann viele Sachen lustig erzählen oder gestalten, ohne dass man das heikle Thema durch den Kakao zieht. Es ist wichtig, dass man in dieser schweren Stimmung nicht hängen bleibt, sondern zack – es gibt einen Bruch. Das ist wie bei einem Hund, der zuerst noch knurrend seinen Knochen frisst und dann sieht er sein Herrl, geht fort und freut sich. Ich versuche den Leuten einen neuen Blickwinkel zu vermitteln. Mit Beispielen aus dem Alltag lässt sich ein greifbarer Bezug herstellen, wo sich jeder etwas vorstellen kann. Dadurch nehme ich dieses Ehrfürchtige raus. Die Leute denken: oh mein Gott Reclam, Shakespeare … Frau Franzi sagt die Reclam Hefte sind wie die Regenbogenpresse, da schreibt der Shakespeare über die Royalen. Das totale Klatschheftl. Das mögen die Leute, dass ich diese große, schwere Weltliteratur so betrachte und sage, das ist eigentlich nichts anderes als wie die „Frau im Spiegel“. Mit Humor geht vieles leichter. Bei Romeo und Julia gibt es eine Passage, da behauptet Frau Franzi echte Liebesgeschichten müssen tragisch enden: Kein Mensch will seinen Held im Alltag versumpern sehen. Der Alltag macht den glorreichsten Glorienschein zur Sau.
Würden Sie ihr Programm als Kulturvermittlung von unten bezeichnen? Aus dem Volk, für das Volk? Museumspädagogik auf Augenhöhe?
Absolut. Ich finde, die Figur der Frau Franzi verkörpert das Shakespeare-Prinzip. Wenn sie eine Shakespeare-Geschichte lesen, der hat teilweise wirklich derbe Sprüche fürs Volk, aber auch eine andere Liga zu bieten. Und er hat unglaublich viel Zeitgeschehen in sein Werk gepackt.
Frau Franzi spricht umgangssprachlich. Welche Bedeutung spielt für Sie Dialekt?
Diesbezüglich teile ich die Meinung von Christian Suchy, der sagt, dass man das Gefühlsleben umgangssprachlich authentischer rüberbringen kann, wenn hochdeutsch nicht deine Sprache ist, in der du normal redest. Speziell bei Emotionen ist das so. Was das Schimpfen beispielsweise betrifft oder bei Liebeserklärungen. Das wirkt in dieser Form berührender, griffiger. Zudem ist es für mich wichtig, spezielle Ausdrücke am Leben zu erhalten. Oft überlege ich mir, wie hätte das meine Oma oder die Nachbarin gesagt. Vor allem das Publikum mittleren Alters freut sich, wenn es bestimmte Ausdrücke wieder hört. In meiner Generation hat fast jeder solche Frauen wie die Frau Franzi gekannt. So lange ist das noch nicht her, aber eigentlich sind sie schon ausgestorben. Für mich stellt Frau Franzi nicht zuletzt eine Hommage an diese Frauen dar.
Frau Franzi benützt gerne Objekte wie Putzfetzen und Besen um ihre Gedanken zu versinnbildlichen. Was macht für Sie die Faszination Objekttheater aus?
Für mich war bei der Figurenentwicklung von Anfang an klar, dass ich etwas mit Objekten machen möchte. Ich liebe Objekttheater. Leider sind wir in Österreich äußerst hinterwäldlerisch was das betrifft. Bis vor ein paar Jahren hat es außer dem Suchy fast niemanden gegeben, mit dem du objekttheatermäßig hättest zusammen arbeiten können. Ich versuche in alle meine Stücke etwas einzubauen. Offensichtlich mit Erfolg. Viele Zuschauer sagen mir im Anschluss, dass sie nie eine berührendere Liebesszene gesehen hätten, als wenn meine zwei Fetzen, die nur einen Knopf drinnen haben, Romeo und Julia spielen. Oder ich spiele mit kleinen Paradeisern. Am Anfang rede ich mit ihnen und dann steche ich sie ab. Ich nehme Objekte, die zur Frau Franzi passen. Wie einen Mob, der Hamlet ist und die Ophelia vernaschen will.
Als was würden Sie ihre Stücke bezeichnen? Gerade Mischformen haben es oft schwerer richtig wahrgenommen zu werden.
Wichtig für mich: nicht alles was lustig ist Kabarett! In meinen Stücken gibt es Bröckerln von Objekttheater, ein clownesker Anteil ist drinnen, Kabarettistisches, Wissensvermittlung, klassisches Schauspiel. Meine Programme haben von allem etwas, passen aber so richtig in kein Genre hinein. Am Anfang habe ich viele Bewerbungen geschrieben, unter anderem an Museen. Die einen haben gesagt, das ist zu kabarettistisch, zu viel Theater, die anderen Bühnen meinten, es sei zu wenig Theater, es ist zu wenig/zuviel pädagogisch, es sei zu wenig dies oder das. Das ist schwierig zu verkaufen. Auch heute noch tue ich mir schwer, wenn ich jemanden sagen soll, was ich mache. Am besten anschauen.
Wie sind Ihre Erfahrungen als Frau auf der Kabarettbühne? Auch in diesem Genre haben es Frauen immer noch schwerer.
Es stimmt, die Männer verteidigen im Kabarettbereich sehr stark ihre Domäne. Ich habe beispielsweise einmal bei einem bunten Abend gespielt. Dort waren nur Männerpartien. Der Mann, der das organisiert hat, hat die Männer sehr stark unterstützt. Alle saßen zusammen, haben geraucht und sich gegenseitig auf die Schultern geklopft und sich beratschlagt. Ich will mich jetzt nicht überhöhen, aber ich war wirklich gut. Mehrere Leute aus dem Publikum haben mir im Anschluss gesagt, du warst die Lustigste. Als ich daraufhin gefragt habe, ob ich nicht einmal einen ganzen Abend bestreiten könnte, war die Antwort sofort nein. Die Begründung war, es sei zu ungewiss wie viele Leute kommen. So etwas ist zach. Unsere Gesellschaft ist noch sehr patriarchalisch. Zudem kann man Frauen leichter einreden, dass sie nicht so gut sind, sie haben nicht dieses „ich bin der Allerbeste“. Als Frau denkt man schneller, vielleicht muss ich doch noch ein bisschen mehr machen, vielleicht ist da und dort doch noch nicht alles perfekt und so weiter. Auf diese Ideen kommen Männer oftmals gar nicht. Zum Glück hat sich das bei mir mit dem Museum gut entwickelt. Ich bin meine eigene Botschafterin. Viele Leute, die zu meinen Führungen ins Museum kommen, kommen später auch ins Theater und die, die mich im Theater sehen, werden neugierig auf das Museum.
Aktuell „organisiert“ Frau Franzi im Kosmos Theater eine Jubiläumsfeier ihr selbst zu ehren. Wie werden die Feierlichkeiten vonstatten gehen? Was erwartet das Publikum?
Das Programm ist eigentlich ein „Best of“ der bisherigen Programme. Die Ehrung ist der Aufhänger. Auf die Idee bin ich gekommen, weil ich im letzten Jahr mehrmals bei solchen Feierlichkeiten wie Ehrenbürgerernennung u.s.w. eingeladen war. Da reden Leute, die mit der Sache in Wahrheit gar nicht betraut sind, salbungsvoll und alle sagen das Gleiche – nämlich nichts. Ich dachte mir, ich habe zehn Programme, jetzt ehrt sich die Frau Franzi einfach selbst, weil wer anderer macht es ohnehin nicht. Wer soll die Putzfrau schon ehren, auf was hinauf. Sie selbst ehrt sich allerdings nicht, weil sie so schöne Geschichten gemacht hat, sondern weil sie streifenfrei Fensterputzen und so schön den Fußboden aufwaschen kann. So ist das Leben der Frau Franzi, die Geschichten passieren nebenher. Trotz allem haben sich viele Gäste angesagt: Romeo und Julia, der Jedermann, Hamlet, Othello und als Überraschung für jene, die alle Stücke bereits kennen, erscheint Richard III., und mischt sich drein. Er ist zwar nicht eingeladen, kommt aber trotzdem. Wie die 13. Fee in Dornröschen.
Zur Person: Marika Reichhold arbeitet seit 2000 als Kunsttherapeutin und Theaterpädagogin an der Kinder- und Jugendabteilung des Thermenklinikums Mödling. Sie ist sie Besitzerin des Bergbaumuseums in Grünbach, Niederösterreich. Seit 2007 als schäggsbianarrische Putzfrau Frau Franzi auf unzähligen Bühnen in Österreich zu Gast.
frau franzi – Die Gästeliste
Uraufführung
text & Spiel: Marika Reichhold, Regie: Christian Suchy
Koproduktion frau franzi & KosmosTheater
Di, 21. – Sa, 25. November 2017, 20:00 Uhr
Preis: 19 Euro / ermäßigt 15 Euro
Karten: Reservieren | Online kaufen
Weitere Termine
26. November 2017, 18:00 Uhr, Mölkerei, 2340 Mödling
28. November 2017, 19:30 Uhr, Lilarum, 1030 Wien
Auf Anfrage „putzt“ Frau Franzi auch gerne in diversen Wohnzimmern
Aktuell sind noch Termine für das Krippenspiel für private oder Firmen-Weihnachtsfeiern zu buchen
www.bergbaumuseum-gruenbach.at/fraufranzi
Bergbaumuseum
Neuschacht 12
2733 Grünbach am Schneeberg
© Ilse Teix, Wiener Alpen, Bettina Frenzel
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